Berichte von 09/2011

Nordkap 71° 10′ 21″

Donnerstag, 29.09.2011

 

 

Unser kleines Abenteuer beginnt mit der 18 stündigen Übernachtsfahrt auf den Hurtigruten. Auf eine Kabine haben wir verzichtet und viel lieber den Luxus der freien Schlafplatzwahl an Bord genossen. Nach einer mehr schlecht als rechten Nacht mit zuviel Klimaanlage gönnen Christopher und ich uns an der Reling eine frische Briese, die uns umgibt und bestaunen die aus dem Wasser ragenden Kliffs und Inseln. An Bord der Hurtigruten gibt es übrigens zweierlei Arten an Kaffee-Flatrates: Die erste Kostet 210 NOK, man bekommt einen Hurtigruten-Thermobecher und gilt für ein Jahr. Die andere beinhaltet eine gebrauchte Tasse von einem Tisch zu nehmen und in der Cafeteria einen "Kaffe påfill" für schlappe 12 NOK pro Auffüllung zu bestellen. In Norwegen weiß man sich als Austauschstudent einfach zu helfen... 🙂

Endlich in Honningsvåg angekommen spurteten wir zu unserem Bus gen Nordkap, weil unser Schiff leider eine halbstündige Verspätung hatte. Zum Glück hatten wir aber einen lieben Busfahrer, der extra auf uns gewartet hat. Beim Einsteigen bemerken wir, dass wir die einzigen sind, die den örtlichen Nordkap-Shufflebus nutzen. So setzten wir uns zum Busfahrer nach vorne und ließen uns von ihm die Gegend erklären und ein paar Highlights zeigen. Ganz ehrlich muss ich sagen, dass ich selber die Strecke zum Nordkap nicht mal bei gutem Wetter gerne gefahren wäre. Eine sehr Kurven- und Abhangsreiche Straßengebung.

 

Am Nordkap angekommen, stellen wir fest, dass wir nicht nur blauen Himmel hatten, sondern auch dort so gut wie alleine waren. So nutzten wir die Gunst der Stunde um tolle Aufnahmen vom Nordkapp zu machen ehe die Hurtigruten-Meute in ihrer eigenen Buskolonne angefahren kommt. Pünktlich, als die Busse mit Hurtigruten-Passagieren ankamen, wurde es bewölkt und logischerweise sehr voll, aber wir standen fernab der Massen und amüsierten uns über die Pilgerwanderung.

Natürlich haben wir uns auch die Nordkapphalle angesehen, die jetzt aber im Endeffekt kein Highlight darstellt, auch wenn es dort das bei den Norwegern scheinbar so beliebte Panoramakino mit einem Kurzfilm - wie ihr es euch bereits denken könnt - über das Nordkapp gibt.

Gepennt haben wir dann im Vandrerhjem Honningsåg. Und ich muss sagen, das war Gastfreundschaft pur. Im Preis ist das Frühstück mitenthalten, doch leider lief unser Schiff morgens um 6Uhr aus, sodass wir daran nicht teilnehmen konnten. Deshalb durften wir stattdessen lecker Abendbrot mit vielen Leckereien essen. Aber es kommt noch besser: Während des Abendessens kam die Wirtin auf uns zu, brachte uns Butterbrotpapier und Tüten und bat uns für den darauf folgenden Tag ein paar Brote zu schmieren, da wir ja kein Frühstück erhalten. Das Vandrerhjem selber ist nicht nur frisch renoviert, sondern hat zu dem auch eine coole Gemeinschaftsstube, in der man den kostenlosen Tee oder Kaffee prima genießen kann.

Honningsvaag

                                                                                Honningsvåg

Auf unserer Hurtigruten Rückfahrt haben wir einen 2 stündigen Aufenthalt in Hammerfest, der nördlichsten Stadt der Welt. Also, stampften wir los und erklommen als erstes die höchste Erhebung des Ortes und gaben uns mit den Windböen geplagten Krähen die Klinke in die Hand.

                  Hammerfest

Die restliche Zeit am Deck verbrachten wir bei richtigen Schietwetter und Seegang in der Panorama Lounge und spielten Karten. Ich war echt froh, dass mir Schiffschaukel-fahren auch noch Spaß macht.

Donnerstag, 22. September 2011 - (K)Ein Alltagsbericht

Donnerstag, 22.09.2011

In der Woche ausschlafen, wer kann das schon? Ein Luxus, den ich mir hier mal gönnen kann, bis die Sonnestrahlen mich an der Nase kitzeln und der neue Tag mich begrüßt.

Wenn ich mittags zu Hause bin, genieße ich meine Pause mit 2 Folgen meiner Lieblingsserie M*A*S*H, natürlich hier in Original Vertonung mit norwegischen Untertiteln. Großartig! Ich liebe das norwegische Fernsehen! Ich finde, Kabel1 kann sich eine, zwei, drei, viele Scheiben von z.B. TV2 Zebra abschneiden.

Nun geht’s aber ans Eingemachte! Während meine Wäsche ihre Runden in der Maschine dreht, schreit mein Pony nach Aufmerksamkeit und nicht nach neuem Heu und frischem Wasser. Da meine Friseurin mich nicht in Tromsø besuchen wollte, wird es Zeit selbst die Schere in die Hand zu nehmen und dem Vorhang vor meinen Augen ein (neues) Ende zu setzen. Nur zu gut sind mir meine letzten Do-It-Yourself-Versuche aus der Kindheit in Erinnerung geblieben, aber wie sagt man in Norddeutschland so schön: „Wat mut, dat mut!“

 

Gestern habe ich höchstpersönlich einen Klassiker der Slapstick Comedy hingelegt. Ich habe gestern Nachmittag nach meiner Schicht im Studentencafé Bodega eine lila Strickjacke angezogen und erst abends beim Zuknöpfen bemerkt, dass meine Strickjacke auf einmal andere Knöpfe hat… oder hab ich mir die jemals richtig angesehen? Ich geriet ins Zweifeln. Und hab ich die Jacke wirklich schon so lange? Ich dachte die Farbe wäre intensiver. Und warum ist sie neuerdings so lang? Fragen über Fragen. Ich ziehe die Jacke aus um mir das Label anzuschauen: Tatsache, es war nicht meine. Aber wer hat dann nun mein gutes Stück?

Auf jeden Fall ist die Strickjacken-Rückführung ein guter Grund um einen weiteren Nachmittag im Café Bodega zu verbringen. Auf meinem Weg dorthin entscheide ich mich spontan noch mal in der Uni Buchhandlung vorbeizuschauen. Und was für ein Glück! Die eigentlich aus dem Sortiment genommene schwarze Sweatshirtjacke mit dem pinkfarbigen Unilogo-Print ist plötzlich wieder da (Vielleicht Reste beim Aufräumen des Lagers gefunden?)! Selbstverständlich packe ich die Chance am Schopfe, überwinde meinen Geiz der letzten 6 Wochen und kaufe sie...Wozu gibt’s denn schließlich Visa („Die Freiheit nehm’ ich mir!“)?

Nun sitze ich hier im Bodega, welches voll mit anderen internationalen Studenten ist, und genieße das vielsprachige Stimmengewirr mit einer guten Tasse schwarzen Tee „Yellow Label“ und einer Waffel. Allerdings bevorzuge ich beim Belegen der Waffel die Ben & Jerry’s Devise: Von allem zu viel. J Hmmmm!

Nebenher schreibe ich weiter an meinem Blog und komme mir grad ein wenig wie Carrie Bradshaw (in den ersten Staffeln) vor, allerdings ohne High Heels, Westwood-Kleid und Prada-Einkaufstasche, dafür mit braunen Adidas Spezial Turnschuhen, fuchsia-farbiger Outdoorjacke und einer quietschgrünen „Akademisk Kvarter“ Tüte.

Heute Abend wird sich noch zum Vorspiel (= norwegisches Vorglühen) in der Stadt getroffen und eine Weinprobe von der ersten studentischen Lese aus Mortesnes getrunken. Anschließend gibt es ein kostenloses Jazz-Konzert im Studentenhaus Driv. Ich bin gespannt, was der Abend noch bringt. Ich werde berichten.

 

Vi ses!

Julia

Dem Sonnenuntergang entgegen paddeln

Mittwoch, 21.09.2011

 

Woran denkt man, wenn man an einen Norwegenaufenthalt denkt?

  • Bergtouren; hab ich gemacht
  • gesellige Abende in gemütlichen Holzhütten; jep, auch abgehakt.
  • Kanu fahren. Genau deswegen war ich heute spontan mit dem Kajakverein TSI Trulle im Kaldfjord (im Südwesten Tromsøs) paddeln...Und es war großartig!

 

Senja Roundtrip

Samstag, 10.09.2011

Dieses Wochenende waren wir zu zwölft auf einen Trip zur Insel Senja. Senja liegt kurz über den Lofoten und wird von den Einheimischen sogar als die schönste Insel Norwegens bezeichnet. Wir haben die Nächte in süßen kleinen Hütten auf Campingplätzen verbracht und nach unserer morgentlichen Schwimmerfrischung (und es war unglaublich kalt!), einem ausgiebigen gemeinsamen Frühstück, sind wir wandern gegangen.

Während wir – die Berggruppe – unter Einsatz unseres Leben Beeren gesammelt haben, weil an diesem Wochenende die Jagdsaison begonnen hatte, sind die Angler ihrer Tierliebe nachgegangen und haben die Fische lieber weiter ihre Bahnen ziehen lassen.

Und kein Kurztrip ohne Nervenkitzel: Unser Mietwagen löste sich in seine Einzelteile auf, ABER: Ente (Nein, es ist ja ein Ford Fiesta) gut, alles gut!

 

Nachtrag: Døgnvill Festivalen '11

Samstag, 03.09.2011

Als grösste Stadt Nord-Norwegens hat Tromsø natürlich auch eine Menge an Festvials jeglicher Art, was ich bei einer Einwohnerzahl von 70.000 echt imposant finde. Anders als in Deutschland laufen diese Veranstaltungen nicht ohne ehrenamtliche Mitarbeiter (= Frivilliger), obwohl die Tickets (1500,- NOK fur ein 3Tagesticket) meines Erachtens unglaublich teuer sind. Als Lohn erhielt jeder Frivillig ein Festivalband fur alle 3 Tage, T-shirts und kostenlose Verpflegung wæhrend der Schicht. Als langjæhriger Festvialfreund lasse ich mr naturlich nicht die Chance entgehen kostenlos aufs Døgnvillfestivalen zu gehen. Die Onlinebewerbung ging flott und schwups wurde ich fur 2 von 3 Tagen an der Bar eingesetzt.

Glücklicherweise konnte ich mir den Freitag freihalten. an dem Roxette gespielt hat und ich muss sagen, dass es ein ziemlich cooles Konzert war, obwohl ich mich nun normalerweise nicht zum Fangemeinde mitzählen wurde.

Das Døgnvill findet im Valhalla Stadion statt (Klein, aber fein und mitten in der Stadt!). Und ich wurde gleich von mehreren Dingen überrascht: Selbst kleine Wasserflaschen sind verboten (Hallo?), Der Rasen war mit weissem Fliess ausgelegt, das lief sich wie auf Watte. Das Krasseste war: Es wurde auf dem gesamten Gelände nirgends Bargeld angenommen. Sämtliche Bezahlungen gingen nur mit dem "Cashless-Systemet". D.h. du musst dir am Festivaleingang eine Art Checkkarte fur schlappe 50,- NOK kaufen und an einem Terminal mithilfe deiner Kreditkarte Geld draufladen. Ich glaube, in Deutschland gäbe es eine Revolte, wenn das irgendein Veranstalter machen wurde.

In Sachen Becherhalter sind die Norweger aber top organisiert: Jeder hat einen selbstgestrickten/ -gehækelten oder -gefilzten Becherhalter mit, den man einfach um den Hals trægt. Ich glaub, sowas brauch ich auch. ...Die nächste Kieler Woche kommt bestimmt. 😀

Die Arbeit hat bei bester Musik wirklich viel Spass gemacht. Während u.a. Kaizer Orchestra, Robyn, Kelis oder Pendulum spielten, habe ich prima die Zahlen auf norwegisch gelernt.

Zum Abschluss gab es eine kleine Dankes-Fete für alle Freiwilligen, wo es gegrillten Seehund gab. Seehundfilet schmeckt sehr intensiv und erinnert mich an gebratene Leber und ist schwarz wie ein Stück Grillkohle.